Seit September 1997 in Murnau aufgestellt, erinnert die zweiachsige Elektrolokomotive E 69 04, vom Personal „Johanna” genannt, an den früheren Betrieb auf der Bahnlinie Murnau – Oberammergau. Sowohl die Lokomotive als auch die Strecke waren weltweit Pioniere bei der Elektrifizierung von normalspurigen Vollbahnen.
Die Lokalbahn Murnau – Oberammergau, eröffnet 1900, wird als erste elektrische Vollbahn seit 1905 mit Einphasen-Wechselstrom niedriger Frequenz betrieben. Bis 1930 beschaffte die Lokalbahn AG München (LAG) für diese Strecke insgesamt fünf elektrische Lokomotiven ähnlicher Bauart. Die Lok LAG 4 wurde 1922 geliefert, erhielt 1934 durch Umbau ihre heutige äußere Form und nach Verstaatlichung der LAG 1938 die Reichsbahn-Nummer E 69 04. Dabei hat gerade diese kleine Elektrolokomotive eine interessante Vergangenheit, die bis ins Jahr 1901 zurückreicht:
Zur Erprobung der seinerzeit neuen Starkstromtechnik fanden zwischen 1901 und 1903 auf einer Teststrecke südlich von Berlin umfangreiche Versuchsfahrten mit verschiedenen Fahrzeugen statt. Siemens baute dafür unter anderem eine vierachsige Lokomotive,die mit 10 kV Drehstrom immerhin 105 km/h erreichte. Nach den Versuchen gab es für die Lokomotive zunächst keine geeignete Verwendung mehr.
Das änderte sich, als die Lok nach dem Ersten Weltkrieg in zwei Hälften geteilt und mit neuen elektrischen Einrichtungen wieder zum Einsatz kam: Die eine Hälfte wurde als Gleichstrom-Lok auf
der werkeigenen Güterbahn in Berlin-Siemensstadt eingesetzt, die andere von Siemens für Einphasen-Wechselstrom ausgerüstet und 1922 an die LAG in München für die Strecke Murnau – Oberammergau geliefert, wo zwei Lokomotiven im Jahr zuvor bei einem Unfall stark beschädigt worden waren.
An der Trennstelle der beiden Lokhälften befand sich nur eine glatte Blechwand mit Tür und Übergang, die technische Ausrüstung war unter dem Vorbau auf der anderen Seite des Führerraums
untergebracht. Dieses merkwürdige Aussehen behielt die als LAG 4 bezeichnete Lok allerdings nicht lange: Nach einem Transformatorbrand kam sie ab 1930 aufs Abstellgleis in der LAG-Hauptwerkstätte München-Thalkirchen.
Für den erwarteten starken Verkehr zu den Oberammergauer Passionsspielen drängte sich 1934 eine Wiederinbetriebnahme der abgestellten Lok auf. Krauss-Maffei in München lieferte dafür einen neuen Aufbau, ähnlich dem der bereits vorhandenen LAG 1 bis LAG 3. Die elektrische Ausrüstung wurde in der Murnauer Werkstatt der LAG eingebaut, wobei brauchbare Teile aus der alten LAG 4 wieder Verwendung fanden. 1934 kehrte sie im neuen Gewand auf ihre Stammstrecke zurück, wo sie noch 43 Jahre lang bis 1977 im Einsatz war.
Nach der Ausmusterung wurde die Lok ab 1978 zunächst vor dem damaligen Bundesbahn-Zentralamt München an der Arnulfstraße als technisches Denkmal aufgestellt. Als das Grundstück verkauft wurde und geräumt werden musste, brachten am 3. September 1997 zwei Transport-Unternehmen mit Unterstützung durch freiwillige Helfer und zahlreiche Geldspenden die E 69 04 per Tieflader nach Murnau zurück, wo sie gegenüber dem ehemaligen Lokalbahnhof nun endgültig in der angestammten Heimat besichtigt werden kann.
Das Ensemble ist seit 2004 in die Denkmalliste des Freistaats Bayern eingetragen und wird durch die Marktgemeinde Murnau als Eigentümerin mit Unterstützung ehrenamtlicher Helfer instand gehalten. Frischen Glanz erhielt die Lok 2013 durch eine Schutzlackierung mit TUTOPROM® durch die Herstellerfirma Crous Chemicals.
Technische Daten der Lok:
Länge: 7,75 m
Dienstgewicht: 27 t
Leistung: 287 kW (390 PS)
Achsfolge: ‚Bo‘
Spurweite: 1435 mm
Stromsystem: Einphasen-Wechselstrom, zunächst mit 5 kV/16 Hz, 1954 umgebaut auf 15 kV/16 2/3 Hz
Gesamtlaufleistung: rd. 1,8 Mio. km
Größte zulässige Geschwindigkeit: 50 km/h